Das Märchen von der dichten Kiste – Teil 2 – Kapillarwirkung
Oberflächenspannung und Kapillarität
Im ersten Teil habe ich mich mit dem Wassereintritt von oben durch den Deckel befaßt. Mit gängigen Barrieren kann diesem Problem bedingt begegnet werden.
In diesem Teil haben wir es aber mit einer speziellen physikalischen Eigenschaft von flüssigem Wasser zu tun: Der Oberflächenspannung. Flüssigkeiten haben die Eigenschaft, ihre Oberflächen gering zu halten, was zum Beispiel die Tropfenbildung erklärt.
Bei Kontakt mit Kapillaren, wie Röhren oder Fugen etc., entsteht durch die Grenzflächenspannung der Kapillareffekt, was zur Wirkung hat, dass sich Wasser sogar entgegen der Schwerkraft in enge Röhren hineinziehen kann.
Wassereintritt durch Kapillarwirkung
Der gleiche Effekt kann an Übergängen von Kistenteilen eintreten. Dabei zieht sich das Wasser in Fugen und Spalten. Zum Beispiel am Übergang von Deckel und Seitenteil. Starke Winde können diesen Prozess begünstigen. Das Wasser wird regelrecht in die Kiste hineingezogen und kann dort an senkrechten Flächen innen ablaufen.
Unterstützt wird dieser Vorgang dadurch, dass eine anfangs trockene Holzoberfläche versucht, das Wasser aufzusaugen. Nach Eintritt der Oberflächensättigung läuft dann das Wasser ab, was wiederum durch die Oberflächenspannung und Schwerkraft unterstützt werden kann. So können regelrechte Rinnsale an den Innenseiten entstehen, die das Packstück innen mit Wasser versorgen.
Allgemein wird der Empfehlung einschlägiger Richtlinien gefolgt, die Außenabmessungen von Deckeln um ca. 5 mm in der Breite schmaler herzustellen, was der Beschädigung durch Anschlagmittel entgegenwirken soll. Dieser Rücksprung kann jedoch begünstigen, dass sich Wasser an diesem Absatz von selbst in die Kiste hineinzieht.
Wasser, das es auf diese Art in das Innere schafft, muss zunächst nicht schädlich sein. Vorausgesetzt, es gelangt nicht auf irgendeinem Weg auf eine Sperrschicht, die dann einen Wassersack bilden kann.
Allerdings bewirkt dieses Wasser ein feuchtes Innenklima und kann sich leicht zu einer weiteren Schadensursache ausbilden.
Mit diesem Thema befasse ich mich im dritten Teil: Kondensation und Konvektion.
Nagelverbindungen
Es stellt sich die Frage, ob durch Nägel und Nagellöcher Wasser in die Kiste gelangen kann.
Dabei liegt die Vermutung nahe, dass das gerade durch die Oberflächenspannung eigentlich nicht gehen sollte. Durch die Neigung zur Tropfenbildung sollte man glauben, dass sich eine Wassermenge auf einem Nagelkopf ansammelt, sich dort tropfenbildend zusammenzieht und zusammenhält.
So verhält sich ein Wassertropfen auf einer glatten Oberfläche wie zum Beispiel einer Glasscheibe. Ein Wassertropfen auf einer Holzoberfläche wird sich jedoch zügig selbst in das Holz hineinziehen, was auf nichts anderes als die Oberflächenspannung und Kapillarwirkung zurückzuführen ist. Denn Holz besteht in seiner Zell- und Faserstruktur aus nichts anderem als unzähligen und feinsten Kapillaren, in die sich die Wassermoleküle des Tropfens hineinziehen können.
Dass Wasser tatsächlich durch Nagelstellen eintreten kann, beweisen die in Faserrichtung verlaufenden Verfärbungen an den Innenseiten von Holzoberflächen. Diese entstehen durch Wasser, das an rostigen Stahlteilen Mineralien aus Korrosionsprodukten auswäscht.
Nebenbei bemerkt: Das Rosten der Nägel ist ausdrücklich erwünscht. Rostige Nägel sitzen fester als blanke.
Fazit
Der hier behandelte Effekt wird duch molekulare Kräfte bestimmt, denen wir so gut wie keine wirksamen Mittel entgegensetzen können, was meine Meinung stützt, dass es keine dichten Kisten geben kann.
Gerade bei dieser Problematik wird klar, wie wichtig passende Kisten mit möglichst kleinen Fugen und wenig Absätzen sind.