Das Märchen von der dichten Kiste – Teil 1 – Fugen und Löcher
Deckeldichtung, Fugen und Löcher
Einschlägigen Verpackungsrichtlinien folgend, wird bei den meisten Exportverpackungen versucht, mit unterschiedlichen Barrierematerialien Kistendeckel so abzudichten, dass von oben kommendes Wasser nicht in die Packstücke eindringen kann.
Am gängigsten sind Doppelstegplatten aus Polyethylen, die zwischen Deckelbelag und Beleistung eingebaut werden. Dieses Verfahren ist auf den ersten Blick plausibel, solange die Stegplatten so groß wie der Deckel selbst sind. Die Formate der Stegplatten sind aber begrenzt.
Bei größeren Deckeln müssen diese Stegplatten gestückelt und zusammengesetzt werden, was zu Übergängen und Nahtstellen führt. Mancherorts wird deshalb zusätzlich noch eine Folie zwischen Deckelbelag und Stegplatte eingelegt.
Es gibt sicherlich Fälle, bei denen es auch gelingt, Kistendeckel gegen Wasser von oben abzudichten. Generell bezweifle ich jedoch, dass das Gros der Kistendeckel dicht ist und der hohe Aufwand zu einem akzeptablen Ergebnis führt. Aus unterschiedlichen Gründen dringt Wasser durch den Deckel in das Kisteninnere. Das wiederum muss aber nicht zwangsläufig gleich zu einem Feuchteschaden führen, ein wirksames Korrosionsschutzsystem vorausgesetzt.
Unterschiedliche Bauarten von Kisten
Prinzipiell werden branchenweit in der Hauptsache zwei sich grundsätzlich unterscheidende Rahmenkistenausführungen verwendet. Bretter- und Sperrholzkisten.
Bei der eher traditionellen Bretterkiste wird Schnittholz in Form von massiven Brettern als Außenbelag verbaut. Bei der zweiten Variante kommen plattenförmige Holzwerkstoffe zur Anwendung. Gebräuchlich sind dabei Sperrhölzer oder Langspanplatten (OSB). Die jeweiligen Präferenzen sind regional unterschiedlich und werden unter anderem von Faktoren wie Schnittholzversorgung, Kundenforderungen und Materialpreisen beeinflußt.
Deckeldichtung bei Sperrholzkisten
Ob beim Vernageln der Beleistung mit den Deckelmaterialien die vielen Nägel die Stegplatten durchlöchern und das Eindringen von Wasser begünstigen, sei erstmal dahingestellt.
Lage und Größe der Nagellöcher sind nicht konstant gleich. Die Doppelstegplatten und die mit dem Plattenmaterial vernagelten Beleistungen haben von Haus aus unterschiedliche Ausdehnungskoeffizienten. Soll heißen, dass die unterschiedlichen Materialien durch Erwärmung und Abkühlung unterschiedlichen Maßänderungen ausgesetzt sind und ständig gegeneinander arbeiten.
Fakt ist, dass Wasser an den Fugen der Plattenstöße in den Deckel eindringen kann und dort daran gehindert werden soll, in das Kisteninnere zu gelangen. Selbst wenn es das Wasser nicht nach innen schafft, so entsteht zwangsläufig zwischen Stegplatte und Deckelbelag ein Wasserdepot, das schon dort mit einer Sackbildung einhergehen kann, was zunächst auch nicht gleich schädlich sein muss.
Was aber ist, wenn sich die Oberfläche eines Kistendeckels durch Stapelbelastungen verformt oder sogar beschädigt wird, zum Beispiel durch Laschings beim Niederzurren auf Flatracks oder Trailern? Dadurch können unterschiedlichste verformende Kräfte auf den Deckelbelag einwirken und Schadstellen verursachen.
Auch finden Verformungen und Spannungen durch Sonneneinstrahlung und Abkühlung statt, die die Oberflächen von Kistendeckeln erheblich stressen können. Bei direkter Sonneneinstrahlung treten sehr schnell sehr hohe Temperaturen auf, die ebenso schnell wieder abkühlen. Beide Vorgänge sind – wie von Hausdächern bekannt- mit Bewegungen der Bauteile verbunden.
Dass bei großflächigen, aus mehreren Platten zusammengesetzten Deckeln Barrieren eingebaut werden, mag zunächst noch plausibel sein. Andere Beispiele zeigen jedoch auch Barrieren in einteiligen Deckeln, was völlig überflüssige Kosten verursacht und -wie später gezeigt- sogar schädlich sein kann.
Deckdeldichtung bei Bretterkisten
An Bretterkisten sind ungleich mehr Brettfugen und Stöße vorhanden, was den Einbau von Barrierematerialien schon eher rechtfertigt.
Das natürliche Sorptionsverhalten (Hygroskopizität, Aufnahme und Abgabe von Wasserdampf aus der und an die Luft) bewirkt durch Luftfeuchtigkeit und Nässe ständige Maßänderungen an den massiven Holzbauteilen.
Bretter quellen und schwinden, weil sich Holz zu jedem Zeitpunkt der Umgebungsfeuchte anpasst. Gerade in der Brettbreite können die stärksten Maßänderungen eintreten. Nach DIN 52 184 kann das tangentiale Quellmaß bei Nadelhölzern bis zu 8,5 % betragen.
Die Konsequenzen sind, dass sich in trockener Umgebung breite Fugen bilden, die sich im feuchten Klima oder bei direktem Wasserkontakt wieder schließen. In Extremfällen können Bretter gegenseitig so starken Druck aufeinander ausüben, dass sie sich aufstellen und sogar vernietete Nägel ausziehen. Tritt so ein Fall ein, ist an einen annähernd dichten Deckel nicht mehr zu denken und außerdem kann die Stabilität des ganzen Packstücks darunter leiden.
Die quer zu den Brettern vernagelten Beleistungen unterliegen ebenfalls Bewegungen. Dort sind aber die axialen (in Längsrichtung, also Faserrichtung) Ausdehnungen zu betrachten, die wesentlich geringer als die lateralen (in Brettbreite, also quer zur Faserrichtung) ausfallen.
Im Ergebnis führt das zu Bewegungen, die sich auch auf die Nagelverbindungen auswirken und auch die dazwischenliegenden Barrierematerialien verändern oder beschädigen können.
Verarbeitungsqualität
Abgesehen von den kaum beeinflussbaren physikalisch bedingten Vorgängen können viele Schadensfälle auch mit der Verarbeitungsqualität in Zusammenhang gebracht werden.
Fehlerquellen gibt es genügend. Beispielsweise das Anstückeln oder Übereinanderheften von Plattenfragmenten, Löcher oder Schadstellen in den Stegplatten, falsch positionierte Nägel oder einfach nur Pfusch.
Die Tragik ist die, dass, unabhängig von der Größe eines Deckels, ein einziges kleines Loch ausreicht, große Mengen Wasser ins Innere einer Kiste einzuleiten.
Was kann passieren?
Dazu ein Blick auf die Innenverpackung mit dem Korrosionsschutzsystem, das die primäre Aufgabe hat, das Packgut von der Außenatmosphäre abzusperren und vor Feuchtigkeit zu schützen.
Eindringendes Wasser kann fachlich gut und richtig eingebauten Foliensperrschichten nichts anhaben. Die Oberflächen der gebräuchlichen Folien sind im Prinzip glatt und wasserabweisend.
Kritisch wird es immer dann, wenn sich von oben kommendes Wasser auf einer durchhängenden Sperrschicht sammeln kann. Dann bildet sich dort ein Wassersack, der sich zunehmend füllt.
In Abhängigkeit der Umstände können Wassersäcke solche Außmaße annehmen, dass die Folie das Gewicht nicht tragen kann oder die Folie über scharfe Kanten/Ecken gespannt wird und reißt.
Die eindringenden Wasssermassen führen dann meistens zu erheblichen Korrosionsschäden. In Extremfällen strömten beim Auspacken mehrere hundert Liter Wasser aus, das dann auch mit Meersalz, Keimen, Gerbsäuren und Sporen aus den Hölzern kontaminiert war.
Tritt Wasser ein, führt das unweigerleich zu einem Korrosionsschaden. Bei tiefen Temperaturen verursacht gefrierendes Schadwasser zusätzlich noch mechanischen Schaden.
Gibt es Alternativen?
Hier muss ich die Betrachtung auf Sperrholzkisten eingrenzen.
Gegen den direkten Wassereintritt an Plattenstößen und Fugen kann ein plastisches Dichtband eingebracht und mit den Bauteilen vernagelt werden.
Dieses Verfahren wird bei einigen Herstellern seit Jahrzehnten erfolgreich angewendet. Das führt auch durch die einfache Anwendung zu deutlicher Einsparung von Material- und Lohnkosten.
Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass unter dem Deckel keine glatte, hygroskopisch passive Kondensationsfläche besteht. Die Oberfläche des jeweiligen Holzwerkstoffs kann begrenzte Mengen an Kondenswasser absorbieren und zwischenspeichern, dass es -in begrenztem Maße- nicht zum Herabtropfen von Kondensat kommt.
Fazit
In jedem Fall muss beim Anlegen des Sperrschichtsystems darauf geachtet werden, dass sich später keine Wassersäcke bilden können.
Gegebenenfalls müssen oben befindliche Öffnungen oder Vertiefungen auf den Packgütern mit geeigneten Mitteln so ausgefüllt bzw. abgedeckt werden, dass die Folie nicht durchhängen und Wassersäcke bilden kann. Dazu bieten sich beispielsweise Doppelstegplatten an.
Bei Sperrholz- und OSB-Kisten kann auf die Deckeldichtung mit Stegplatten verzichtet werden. Das spart Material- und Herstellkosten.
Meine Meinung
Betrachten wir die Unwägbarkeiten und harten Bedingungen, denen Exportverpackungen auf ihren Reisen über Weltmeere ausgesetzt werden können, muss die Anfälligkeit eines solchen Subsystems kritisch gesehen werden.
Ich bin fest davon überzeugt, dass es mit den gebräuchlichen Methoden und Barrierematerialien keinen verlässlich dichten Deckel gibt. Je größer eine Kiste ist, desto wahrscheinlicher kommt es zu Undichtigkeiten.
Wenn bei entsprechenden Wetterlagen viel Wasser in der Atmosphäre vorhanden ist, gelangt es auch auf irgendeinem Weg in das Kisteninnere, was durch starke Winde begünstigt werden kann.
Das Wasser vom Packgut fernzuhalten ist die Aufgabe der Innenverpackung mit dem folienartigen Sperrschichtmaterial. Dieses muss mit Bedacht und Sorgfalt so verarbeitet und eingebaut werden, dass eindringendes Wasser ungehindert ablaufen und keine Wassersäcke bilden kann.
So stellt sich mir die Frage, ob es denn wirklich erforderlich ist, eine Deckeldichtung vorzuschreiben. Denn das Wasser, das von oben kommt, ist nicht das einzige Problem, das sich uns stellt. Wasser kann auch horizontal mit hohem Winddruck von der Seite und sogar von unten kommen.
Bis hierher war nur von flüssigem Wasser die Rede. Gasförmiges, in Form von Wasserdampf kann uns auch vor erhebliche Probleme stellen, die ich in Teil [2], Teil [3] und Teil [4] behandle.